Im Dezember ‘20, nach einem anstrengenden Corona-Jahr und mitten in der Ungewissheit, wie es weitergehen würde, haben wir an der Kantonsschule Uetikon allen Schülerinnen und Schülern, aber auch allen, die hier arbeiten, ein Buch geschenkt. Wir haben uns für Stefan Zweigs „Sternstunden der Menschheit“ entschieden, den Klassiker aus dem Jahr 1927. Zum einen aus praktischen Gründen. Es ist ein All-Age-Book, wie man heute sagt, und erschliesst sich sowohl als Ganzes als auch bei der Lektüre einzelner Kapitel. Zum andern, weil es zwischen dokumentarischem Anspruch und literarischer Gestaltung versucht, zentrale Momente im Leben von Menschen, die etwas bewirkt haben, einzufangen. Sternstunden eben, in denen sich über das individuelle Schicksal hinaus etwas Menschlich-Allgemeines zeigt.
Mit den Schülerinnen und Schülern der Klasse 5b habe ich nach den Sportferien über ihre Lektüreeindrücke gesprochen – über die Gesamtanlage und über einzelne Erzählungen. Aufgefallen war uns, dass die Zusammenstellung der 14 Personen keine einzige Frau enthält. Ganz zu schweigen von anderen Kriterien, die heute eine Auswahl leiten würden, die den Anspruch hätte, für die Menschheit zu sprechen. Daraus entstand ein Unterrichtsprojekt, das jetzt als Büchlein vorliegt. Die 21 Erzählungen stellen je eine Frau ins Zentrum, die sich die Schülerinnen und Schüler ausgewählt hatten. Da ist die grosse Politik vertreten – von Kleopatra über Katharina die Grosse und Rosa Luxemburg bis zu Eva Peron oder Margret Thatcher. Da gibt es Wissenschaftlerinnen von Ada Lovelace, der Computerpionierin, bis zur Mathematikerin Mirzakhani, die als erste Frau die Fields-Medal bekam. Es gibt künstlerisch tätige Frauen von Astrid Lindgren bis Zaha Hadid und politisch engagierte Frauen wie Rosa Parks oder Rosa Luxemburg. Coco Chanel steht neben Anne Frank, die Jungfrau von Orléan neben Ching Shih, einer chinesischen Piratin, die um 1800 mit einer Riesenflotte und mehr als 70'000 Seeleuten die asiatischen Meere kontrollierte.
Jürg Berthold, Deutsch