Fingierte Faktizität

Ein Leben so gut wie möglich erfinden und dann wissenschaftlich darüber schreiben: So lautete die Aufgabe der 5d im neuen Fach «Wissenschaftliche Texte».

Ein mattsilbernes Feuerzeug, eine zerknitterte Banknote, vermutlich Reichsmark, ein vergilbtes Tagebuch, eine Postkarte in Sütterlin-Schrift – was sich in dieser alten Holzkiste befindet, muss mindestens 100 Jahre alt sein.

Irrtum: Die meisten Objekte sind kreative Fälschungen, hergestellt und fachmännisch auf alt getrimmt von Schüler:innen der Klasse 5d. Im interdisziplinären, einsemestrigen Fach «Wissenschaftliche Texte» hatten sie den Auftrag, private Nachlässe aus der Zeit der Weimarer Republik zu fingieren: «Erfinden Sie ein Leben, das sich so oder so ähnlich ereignet haben könnte. Fingieren Sie Spuren, die von diesem Leben übriggeblieben sein könnten, und täuschen Sie in Form von Texten, Bildern und Objekten die Faktizität Ihrer Erfindung vor», heisst es im Projektauftrag. Beteiligt sind die Fächer Deutsch (Carmen Aus der Au) und Geschichte (Michèle Mühlebach).

Und so haben die Schüler:innen in Gruppen Biografien erfunden und passende Objekte gesammelt oder sie gleich selber für den Nachlass hergestellt: Zum Beispiel mit Tinte ein Tagebuch geschrieben und es dann zerrissen oder etwas angesengt. Auch die Nachlassbehälter – eine Holzkiste, ein alter Kübel oder eine Damentasche aus den Roaring Twenties – wurden kompetent «antikisiert».

Ergänzend schreiben nun die Schüler:innen einen wissenschaftlichen Text, der ihre erfundenen Biografien schlüssig erklärt sowie einen historischen Abriss über die Lebensumstände der Figur enthält, und zwar nach den Regeln der Kunst: mit Paraphrasen, Zitaten, Fussnoten und Literaturverzeichnis.