WEGM oder das Fuder überladen

Man darf das Fuder nicht überladen, heisst es. Warum dieses Bild auch für die Schweizer Gymnasien gilt, erfahren Sie im Wochenbrief.

Kompromissfähigkeit charakterisiert die Schweizer Politik. In vielen langen Diskussionen werden in Gemeinden, Kantonen und auf Bundesebene Lösungen gesucht, die möglichst allen Interessen gerecht werden. Dagegen kann niemand etwas haben. Im Gegenteil, diese Eigenschaft ist eine beeindruckende Eigenschaft der politischen Kultur in der Schweiz.  

Es gibt aber auch Themen, bei denen der Einbezug aller Interessensgruppen zu unschönen Lösungen führt, weil bekanntlich viele Köche den Brei verderben können. 

Mir scheint, dass die Vorschläge zur «Weiterentwicklung der gymnasialen Maturität» (WEGM), welche im Moment in der Vernehmlassungsphase sind, ein gutes Beispiel für dieses Problem sind. 

Worum geht es? Das sogenannte Maturitätsanerkennungsreglement aus dem Jahre 1995 wurde in einem breit angelegten Projekt überarbeitet, um verschiedene Anliegen zu realisieren, die in den letzten Jahren formuliert worden sind. Auch die Rahmenlehrpläne, welche bestimmen, was im Unterricht an den Schweizer Gymnasien behandelt werden soll, erfuhren eine sorgfältige Überarbeitung. 

Im Vordergrund des Projekts WEGM stand der freie Hochschulzugang, den das schweizerische Maturzeugnis weiterhin gewähren soll. Entscheidender waren aber aus meiner Sicht die beabsichtigten Anpassungen an neue Bedingungen wie zum Beispiel die Digitalisierung oder drängende Fragen der Nachhaltigkeit.  

So wurde das neue Grundlagenfach Informatik konzipiert, und im Bereich der überfachlichen Kompetenzen baute man eine Reihe von Bildungszielen aus, welche die Maturand:innen zur «vertieften Gesellschaftsreife» führen sollen. 

Selbstverständlich kam auch die Forderung nach der Einführung weiterer Fächer. Interessanterweise sprach aber niemand von Fächern, die bisher am Gymnasium unbekannt waren: Filmwissenschaft, Soziologie, Ethnologie etc.  

Zweifellos gibt es beispielsweise gute Argumente für Fächer wie «Philosophie» oder «Religionen», die gemäss Vorlage eingeführt werden sollten. Das würde aber gleichermassen für die oben genannten und einige weitere Fächer auch gelten. 

Man darf das Fuder nicht überladen. Unsere Gymnasiastinnen und Gymnasiasten stehen schon jetzt vor einem riesigen Stoffberg, den sie zu bewältigen haben. Zusätzliche Fächer würden den Druck nur noch weiter erhöhen. 

Die Reformen bestanden schon in den letzten Jahren immer wieder durch eine additive Erweiterung der Schulprogramme. Das Gymnasium wird nicht besser, wenn man ihm laufend zusätzliche Aufgaben zuweist.  

Nötig wäre vielmehr ein neues Konzept, das in sich kohärent ist. In diesem Sinne habe ich mich in den laufenden Prozess eingebracht, und so werde ich mich auch in der Vernehmlassung einbringen.

Martin Zimmermann

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