Warum Lehrpersonen wichtig sind

Ein Mitglied der KUE-Schulkommission erinnert sich an prägende Lehrerpersönlichkeiten. Was macht es aus, dass der Funken springt? Überlegungen dazu im aktuellen Wochenbrief.

Mit meinem Klassenlehrer am Gymi hatte ich das grosse Los gezogen. Er war ein sehr bekannter Musiker und Dirigent und dank ihm fand ich den Zugang zur klassischen Musik. Klavierstunden mit mir waren für ihn wohl eher ein Muss als ein Genuss, obwohl ich ein nicht ganz untalentierter Akkordeonspieler war. Mit seiner Lebensfreude, Leichtigkeit und Liebenswürdigkeit als Klavierlehrer, als Organist an der Orgel in der Kirche, als Leiter des Schulchors oder als Dirigent an Konzerten in der Tonhalle Zürich hat er mir die Gymizeit erleichtert.

Unserem Sportlehrer gelang es, uns für die Besonderheiten des Volleyballspiels zu begeistern. Es war selbstverständlich, dass wir in der Freizeit zusätzliche Trainings auf uns nahmen, an Mittelschulmeisterschaften fuhren und uns im Volleyballclub engagierten.

Deutsch hatte neben dem Sport einen schweren Stand. Unser kurrliger Deutschlehrer zog zum Glück moderne Literatur der klassischen vor. Dank ihm bin ich zu einem begeisterten Leser geworden.

Oder unser Zeichnungslehrer: Freiwillig besuchte ich das Fach Kunstgeschichte. Wir betrachteten seine Dias, die er in Kirchen und Kunstmuseen auf der ganzen Welt fotografiert hatte. So eroberte ich bildlich eine mir damals unbekannte Welt. Für mich waren diese Gymilehrpersonen sehr prägend und wichtig. Sie haben mich inspiriert, sowohl wissensmässig auch als menschlich. Noch heute denke ich sehr gerne an sie zurück.

Als vor kurzem ein paar ehemalige Gymnasiastinnen und Gymnasiasten bei uns zu Hause einen Abend verbrachten, fragte ich sie, was ihnen von ihrer Gymizeit besonders in Erinnerung geblieben sei. Alle waren sich einig: Gymilehrpersonen müssen fachlich topp sein. «Es ist total lässig zu erleben, wenn die Lehrpersonen uns zum Staunen bringen und uns eine neue Welt eröffnen. In der Mathematik sprang bei mir plötzlich der Funke, als eine mathematische Herleitung auf einmal logisch war».

Besonders in Erinnerung blieben ihre persönlichen Begegnungen mit Lehrpersonen. «Ich habe gemerkt, dass meine Betreuungsperson sich echt für meine Maturarbeit interessiert. Sie hat sich Zeit genommen, mir Fragen gestellt und konkrete Rückmeldungen gegeben. Das war super. Geehrt gefühlt habe ich mich natürlich, als die Lehrperson sagte, dass sie von mir etwas gelernt habe.» Die Jugendlichen schätzen es, wenn ihnen die Lehrpersonen auf Augenhöhe, mit echtem Interesse und mit Wertschätzung begegnen.

Wichtig sind den Jugendlichen auch besondere Gemeinschafts-Erlebnisse und -Aktivitäten: Die Fahrt mit dem Velo nach Südfrankreich, das Skilager, der Sporttag, das Sommerkonzert, die KUERobolympics, der Theaterbesuch, die Reise nach Berlin oder die Sozialwoche im Welschland wurden erwähnt. Diese Ereignisse schaffen bleibende Erinnerungen und gehen über das blosse Vermitteln von Inhalten und Fakten weit hinaus. «Geblieben ist mir meine Gastfamilie in Lausanne. Beim Abendessen versuchte ich, ab und zu mit meinem holprigen Französisch am Gespräch teilzunehmen.»

Im Geschichts- und Deutschunterricht schätzten die Jugendlichen Diskussionen über Krieg, Kunst und KI. «Bei diesen Gesprächen liessen sich die Lehrpersonen erkennen, indem sie persönliche Statements abgaben.»

Eine junge Frau hob folgende Geschichte hervor: «Im Fach Wirtschaft erhielten wir den Auftrag, eine Produktidee zu entwickeln. Dabei forderte uns die Lehrperson durch geschickte Fragen und Zielformulierungen heraus.» Anstatt passiv Wissen zu empfangen, erfuhren die Gymnasiastinnen und Gymnasiasten Lernen als einen dynamischen Prozess von Neugier, Entdeckung und Selbstständigkeit, ja sie wurden zum aktiven Gestalten ihres eigenen Lernprozesses angeregt.

«Ich habe es sehr geschätzt, als mich eine Lehrperson ansprach und fragte, wie es mir gehe. Tatsächlich hatte ich eine Krise während der Gymizeit. Dass sich eine Lehrperson für mich interessierte, mich und meine Sorgen wahrnahm, tat mir gut.» Sich Zeit nehmen, Sicherheit geben und Vertrauen schaffen werden von den Jugendlichen sehr geschätzt.

Jugendliche spüren, wenn sich Lehrpersonen Zeit für sie nehmen, wenn sie präsent sind, Grenzen und Freiheiten definieren, Interesse an ihnen und gelegentlich eine gute Prise Humor haben. So werden Lehrpersonen nicht nur Wissensvermittler, sondern auch Mentoren, Zuhörer und sogar Vertrauenspersonen. Ja, Lehrpersonen sind wichtig, sehr wichtig. Dies beschreibt auch Lukas Bärfuss 2014:

«Eine Schule habe ich nicht gebraucht. Aber ohne Lehrer wäre ich ärmer. Und deshalb möchte ich Sie aufrufen: Kümmern Sie sich nicht nur um Lehrpläne. Nicht nur um Fachdidaktik und Evaluationen. Und Evaluationen der Evaluationen. Das ist den Kindern alles einerlei. Sie brauchen keine Systeme, Kinder brauchen keine Schule. Aber sie brauchen Lehrer. Die Kinder brauchen Sie, Ihre Leidenschaften, Ihre Begeisterung. Und auch Ihr Unverständnis und auch Ihren Ärger und die Angst. Kinder brauchen Erwachsene, die ihnen zeigen, wie das gehen könnte, dieses Spiel, ein Mensch zu werden.»

Jörg Walser, Mitglied Schulkommission

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