Vertrauen ist eine nicht zu unterschätzende Grösse im schulischen Zusammenleben und eine wichtige Ressource für das Lernen. Die Lehrperson muss darauf vertrauen, dass die Schülerinnen und Schüler die Hausaufgaben machen. Sie muss darauf vertrauen, dass sie mitdenken, auch wenn sie nichts sagen. Sie muss darauf vertrauen, dass sie krank sind, wenn sie sich krankmelden. Und das sind nur einige einfache Beispiele.
Auf der anderen Seite müssen auch die Schülerinnen und Schüler der Lehrperson vertrauen: dass diese aufgrund ihrer Fachkompetenz die richtigen Schwerpunkte setzt, dass sie aufgrund ihrer Erfahrung hilft, wo es nötig ist, und Zuversicht in den Lernerfolg hat. Dass der eingeschlagene Weg tatsächlich zur Matur führt und dass sie gut vorbereitet sind fürs Studium und fürs Leben. Sie müssen die Gewissheit haben, dass die ausgewählten Themen von Bedeutung sind und es nicht um Schikanen geht, wenn Genauigkeit und mühsame Details eingefordert werden. Eine Klasse muss der Lehrerin oder dem Lehrer auch vertrauen, dass sie nicht „verarscht“ wird, wie es dann jugendsprachlich heisst: dass an der Prüfung das kommt, was abgemacht wurde, dass es keine unangekündigten Prüfungen gibt und dass Abmachungen ganz generell eingehalten werden. Kurz, die Lehrerin, der Lehrer muss ein grundverlässlicher Mitmensch sein.
Sicher, eine Lehrperson wird dieses oder jenes kontrollieren können und es auch immer wieder tun müssen, um glaubhaft zu bleiben und mit etwas Druck von aussen Lern- und Arbeitsprozesse, die letztlich von innen her motiviert sein müssen, zu unterstützen. Hat sie aber den Anspruch, alles im Blick und im Griff zu haben, wird sie gerade durch die diversen Kontrollmechanismen das Vertrauen, das die Schülerinnen und Schüler in die Lehrperson haben müssen, untergraben: Nebensächlichkeiten werden ein überproportionales Gewicht erhalten, Pingeligkeit wird sich breit machen und alles mit ihrem Gift überziehen.
Vertrauen lebt von einer Art Vorschuss: Man geht davon aus, dass man nicht hintergangen wird und dass Zusagen Zusagen sind. Im schulischen Alltag ist dieser Vorschuss im Idealfall gegenseitig, sicher muss er aber von der Lehrperson ausgehen: Sie muss daran glauben, dass die Schülerinnen und Schüler letztlich lernen wollen, auch wenn es nicht immer den Anschein macht.
Vertrauen wächst durch viele kleine Begegnungen, in denen sich Annahmen bestätigen und zu Gewissheiten verdichten. Das geht nicht von heute auf morgen und braucht Zeit. Und sehr schnell kann eine Lehrperson das gewonnene Vertrauen zerstören, nicht selten durch eine einzelne Handlung, ein unbedachtes Wort oder eine unnötige Ungehaltenheit.
Wir wollen an der KUE nicht nur an Inhalten und didaktisch-pädagogischen Konzepten, sondern auch an Haltungen arbeiten und uns darüber verständigen, was uns wichtig ist. Gegenseitiges Vertrauen als Ressource gehört ganz bestimmt dazu.
Jürg Berthold, Prorektor
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