Une expérience pour la vie

Beim Arbeiten in der Westschweiz das Thema für die Maturarbeit finden: Der Stage ist ein Gewinn… Mehr dazu im aktuellen Wochenbrief!

 

Bild: Daniel Enchev, Pxhere

Manchmal ist man als Lehrer oder Lehrerin ein bisschen neidisch auf die Schüler:innen. Zum Beispiel dann, wenn sie morgens um halb acht auf ihren Stühlen gemütlich weiterdösen, während man selbst alles Mögliche anstellt, damit sie das eben nicht tun. Neid erwecken auch die Programme der Studienreisen, an denen die Schüler:innen der 6. Klassen in der Woche vor den Herbstferien teilnehmen dürfen. Und auch auf die Erfahrung, die den Schüler:innen der 5. Klassen in dieser und der nächsten Woche bevorsteht, kann man neidisch sein: Es geht um den Stage.

Die 5.Klässler:innen sind für die zwei Wochen vor den Herbstferien vom Unterricht befreit, um diese Zeit in der Westschweiz (oder einem anderen französischsprachigen Land) zu verbringen. Sie tauchen nicht nur in die französische Sprache, sondern auch in die Arbeitswelt ein, indem sie sich eine Beschäftigung suchen und im Idealfall bei einer Familie wohnen. Zugegeben: Die Suche nach dem Praktikumsplatz ist keine einfache Aufgabe, nicht jede Familie verfügt über gute Kontakte in die Westschweiz. Die Herausforderung, eine Stelle zu finden; die Vorstellung, in einer fremden Familie zu wohnen; die Anforderung, in einem Betrieb eine Funktion auszuüben und das auch noch auf Französisch: Die Kombination schreckt manche Schüler:innen ab. Genau dieses Konzept ist jedoch das Beste am Stage, findet die Französischlehrerin Tatiana Kern. Denn die Schüler:innen seien beim Arbeiten von der Sprache umgeben und es bleibe ihnen nichts anderes übrig, als ihre Sprachkenntnisse anzuwenden. Das baue Hemmungen ab und der Sprachunterricht nach dem Stage habe eine neue Qualität, vor allem was das Mündliche angehe.

Für viele Schüler:innen ist ausserdem die Erfahrung, in einer völlig anderen Umgebung zu sein, sehr wertvoll. Und sie kann auch für die weitere Schulkarriere nützlich sein. Eine meiner ehemaligen Schülerinnen zum Beispiel war zunächst nicht sehr motiviert und wollte lieber zu Hause bleiben. Mithilfe ihrer Französischlehrerin fand sie aber eine Stelle in einem Brockenhaus in Genf. Als ich sie nach den Herbstferien wiedertraf, erzählte sie mir begeistert von dem jungen Team und den lustigen und spannenden Begegnungen mit den Kund:innen des Brockenhauses. Besonders beeindruckt war sie von den Wohnungsräumungen, die sie miterlebt hatte. Und daraus entwickelte sie ein halbes Jahr später die Idee für ihre Maturarbeit: Sie schrieb über das Messi-Syndrom.

Das Beispiel ist vielleicht ein Idealfall. Aber sehr viele Schüler:innen machen gute Erfahrungen. Sie fassen Mut, die französische Sprache anzuwenden (anstatt im Kontakt mit Romands ins Englische zu wechseln!), sie treffen auf interessante und oft freundliche Menschen und sie erfahren, wie die Westschweiz tickt (nämlich ein bisschen gemütlicher).

Das neue Maturitätsanerkennungsreglement (MAR) fordert, dass «die regionalen und kulturellen Besonderheiten der Schweiz durch geeignete Massnahmen gefördert werden» und legt in Artikel 22 fest: «Es werden zudem Voraussetzungen geschaffen, die es erlauben, dass jede Schülerin und jeder Schüler an Austausch- und Mobilitätsaktivitäten in einer anderen Sprachregion der Schweiz oder des Auslands teilnimmt.» Das ist ein hoher Anspruch, der für die Gymnasien nicht leicht umzusetzen ist. Deshalb ist es ein Glück, dass der Stage im Themenwochenprogramm der KUE seinen Platz hat.

Eugenie Bopp

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