Erzählt die Person, die für die Erstellung des Stundenplans verantwortlich ist – bei uns ist das Michael Nünlist –, wie sie genau vorgeht, bekommt man das Gefühl, dass es eigentlich ein kleines Wunder ist, wie alles am Ende aufgeht. Noch besser, wenn es für die einzelnen Klassen und die Lehrpersonen auch noch gute Stundenpläne sind! Noch besser, wenn die individuellen Wünsche der Lehrpersonen erfüllt sind, um Beruf und Familie oder die Forderungen von zwei Arbeitgebern unter einen Hut zu bringen! Und noch besser, wenn die Tage für die Klassen zwar dicht, aber nicht zu kompakt sind und wenn es einige Zwischenstunden gibt, um etwas zu verschnaufen und wo die Instrumentallehrpersonen ihre Lektionen platzieren können!
Die Stundenpläne der beiden KUE-Maturklassen weisen darüber hinaus eine Besonderheit auf: Statt des üblichen einen Nachmittags ist der ganze Donnerstag frei: ein Loch im Stundenplan zu Beginn der zweiten Wochenhälfte! Damit können wir gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Einerseits haben die bald studienreifen Maturandinnen und Maturanden für einmal viel Zeit am Stück, um nicht nur für die nächsten Prüfungen zu lernen, sondern um sich gründlich auf die Matura vorzubereiten. Es entsteht ein Freiraum, den sie einzeln oder in Grüppchen, zu Hause oder in den Arbeitsräumen an der Schule nutzen können. Da ist, wie später in Studium und Beruf, Selbstverantwortung und Eigenmotivation gefragt! Zum anderen gibt es an dem Morgen etwas Platz im Schulhaus, die freiwerdenden Zimmer können für andere Klassen geöffnet werden. Auf diese Weise wird der wertvolle Schulraum besser ausgenutzt. Auf diese Idee brachte uns auch die Erzählung unseres IT-Verantwortlicher Nikola Jovanov, in dessen Heimat Mazedonien die Schulhäuser in mehreren Schichten bis in die späten Abendstunden hinein genutzt werden.
Für die Maturklassen rückt das Ende der Mittelschulzeit mit Riesenschritten näher. Schon stehen die Daten und Zeiten nicht nur für die Maturitätsarbeitspräsentationen, sondern auch für die einzelnen Schlussprüfungen fest. Man hat langsam eine Vorstellung, wie sich die vier Stunden des Maturaufsatzes anfühlen, welche Aufgabentypen an der Mathematikmatur zu erwarten sein werden oder wie die Prüfungen im Schwerpunktfach aussehen. Langsam sind die Leselisten für Deutsch und die Fremdsprachen zusammengestellt und, wo die Zusammenstellung schon fix ist, sind türmen sich vielleicht schon die Bücher auf dem Schreibtisch. Da kommt einiges zusammen, und es braucht eine gründliche Vorbereitung und eine ernsthafte Beschäftigung mit den vielen Gebieten. Dabei geht es um eine gehörige Portion Wissen, das möglichst abrufbereit parat sein soll. Es geht aber auch um Einsichten in Zusammenhänge, die man in eigenen Worten darlegen kann, um ein vertieftes Verständnis der Themen, um eine eigene Sicht auf die Dinge und um klare, begründete Urteile. «Im letzten Jahr», so hat mir gegenüber einmal ein Maturand seine Erfahrung auf den Punkt gebracht, «kommt alles zusammen: Was bisher zusammenhangslos und manchmal auch etwas sinnlos erschien, macht plötzlich Sinn. Man merkt jetzt, warum man die vielen Grundlagen lernen musste.»
Den Maturandinnen und Maturanden wünsche ich, dass sich dieses Gefühl bis zum Ende ihrer Schulzeit auch bei ihnen einstellt, vielleicht nicht in jedem Fach, aber in wesentlichen Aspekten. Der freie Donnertag ist ein idealer Rahmen, so meine ich, damit man sich in die Themen vertiefen und wirklich auf sie einlassen kann. Ich würde fast wetten, dass die so Lernenden am Ende verstehen werden, was Wilhelm von Humboldt mit seiner klassischen Definition von Bildung im Blick hatte: “Bildung heisst, soviel Welt als möglich zu ergreifen, und so eng, als er nur kann, mit sich zu verbinden.”
Jürg Berthold
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