S fäält nie alls

Der letzte Wochenbrief des Schuljahres ist auch der letzte Wochenbrief von Martin Zimmermann.

Die erste Lektion, die ich an einer Zürcher Kantonsschule hätte halten sollen, verpasste ich. Ich hatte die Agenda nicht richtig geführt. Nervös erschien ich einige Tage später zur nächsten vereinbarten Lektion; es war mir sehr unangenehm und ich entschuldigte mich.

Ruedi Schwarzenbach, der Praktikumslehrer, reagierte aber verständnisvoll. So etwas könne doch passieren, er habe dann halt einfach selber die Klasse unterrichtet. Kein Problem.

Einige Jahre später vermittelte mir Ruedi Schwarzenbach eine Anstellung als Lehrbeauftragter an der KZO Wetzikon. Ich freute mich enorm über diese Möglichkeit. Wenig später wurde er Rektor an derselben Schule. Zum Beginn seiner Amtszeit hängte er einen kleinen Zettel ans Anschlagbrett des sogenannten Lehrerzimmers, den ich nie vergessen habe. Als Motto verwendete er einen eindrücklichen Mundart-Spruch, mit dem er allen einen guten Start wünschte.

Als ich selber Rektor wurde – zuerst an der KZO, dann an der KUE –, verlief meine Kommunikation zunehmend weniger über Zettel, und die Menge an Mitteilungen vervielfachte sich. Die Zahl von etwa 380 Wochenbriefen, die ich quasi über das elektronische Anschlagbrett der beiden Schulen veröffentlicht habe, macht dies deutlich.

Beim Schreiben dieses letzten Wochenbriefs kam mir die Mitteilung von Ruedi Schwarzenbach wieder in den Sinn. Ich kontaktierte ihn, der ganz nahe von der KUE in Meilen lebt, und fragte, ob er sich noch an den genauen Wortlaut seines Mottos erinnere. Er schickte mir gleich einen Scan der originalen Mitteilung von 1989. Das berührte mich, weil ich die Verse des Mundartdichters Peter Wettstein ganz gerne als gemeinsamen Nenner aller meiner Wochenbriefe und vielleicht meiner Arbeit überhaupt sehen würde: „S grootet nie alls, und s fäält nie alls“.

Eine solche Haltung hilft, mit unerwarteten und schwierigen Situationen umzugehen. Gelassenheit ist gerade in unserem Beruf hilfreich. Junge Menschen entwickeln sich nicht immer so, wie wir uns das wünschen. Sie erleben Erschütterungen, rebellieren, werden krank, verändern sich und so weiter. Dennoch dürfen wir die Gewissheit haben, dass die meisten von ihnen ihren Weg finden.

Mit dieser Zuversicht verabschiede ich mich als Schulleiter und freue mich, dass ich noch ein Jahr als Lehrer an der KUE arbeiten darf. Ich danke allen, die diese tolle Schule aufgebaut haben und weiterhin gestalten.

Das Motto aus dem Gedicht von Peter Wettstein wird vielleicht noch andere Menschen in ihrer Arbeit an der KUE begleiten:

„S grootet nie alls, und s fäält nie alls“.

Martin Zimmermann

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