«Herr Müller hatte vergessen, seine Badewanne zu entleeren, als er um 12 Uhr seine Wohnung verliess. Das Wasser war zu diesem Zeitpunkt 31 Grad warm und wurde pro Stunde 4 Grad kälter. Welche Temperatur hatte das Wasser um 20 Uhr, als Herr Müller nach Hause kam?»
Etwa so lautete die Aufgabe, die mir und meinem Team an einem Postenlauf im Klassenlager vor fast 50 Jahren gestellt wurde. Ich erinnere mich gut daran, wie ich rechnete: 8 Stunden lang erkaltete das Wasser um 4 Grad pro Stunde, es wurde also insgesamt um 32 Grad kälter. Die Lösung muss «-1 Grad» sein. «Das ist komisch, dann wäre das Wasser ja gefroren!», sagten wir uns im Team. Trotzdem verliessen wir uns blind auf die Angabe «4 Grad kälter pro Stunde» und rannten in unserem Ehrgeiz so schnell wie möglich zum nächsten Posten.
Unsere Gruppe war nicht die einzige, die nur gerechnet und den gesunden Menschenverstand nicht eingeschaltet hatte. Die Lehrer wiesen uns bei der Auswertung mit einer gewissen Schadenfreude darauf hin: Natürlich wird das Wasser nicht kälter als die Zimmertemperatur.
Noch heute bin ich etwas verärgert über unsere beiden Lehrer, die uns auf diese Weise reingelegt hatten, wie ich damals fand und immer noch finde. Schliesslich ist man als Schüler:in gewohnt, dass Aufgaben verlässlich in der Schullogik bleiben. Im Unterricht handelt es sich selten um «echte» Problemstellungen, bei denen man mit allem rechnen muss, das im «richtigen Leben» vorkommen könnte – zum Beispiel mit Frau Müller, die das Wasser um 11 Uhr noch einmal für die Kinder hätte aufwärmen können.
Rechnen ist eine wichtige Fähigkeit. Rechnen, ohne das Resultat auf seine Plausibilität zu überprüfen, ist aber kaum zielführend. Und wenn es um reale Dinge geht, muss man immer mit unerwarteten Wendungen rechnen.
Das gilt auch für die Arbeit in einer Schulleitung. Gerade an der KUE, die sich immer noch in einem Wachstumsschub befindet, der in diesem Ausmass nicht zu erwarten war, werden wir regelmässig überrascht von neuen Entwicklungen.
Ich freue mich auch deshalb sehr, dass wir für unsere Schulleitungsarbeit in einem dynamischen Umfeld eine Verstärkung bekommen. Herzlich willkommen, Prorektorin Karin Hunkeler!
Karin Hunkeler studierte an der HSG in St. Gallen Wirtschaftswissenschaften und Staatswissenschaften / Internationale Beziehungen. Nach dem Abschluss arbeitete sie in der Privatwirtschaft und sammelte Erfahrungen in den Bereichen Corporate Development und Human Resources, und zwar im In- und im Ausland.
Seit 2003 ist sie Lehrerin für Wirtschaft und Recht an der Kantonsschule Enge. Für die KUE war sie von Anfang an im Aufbauteam.
Damit haben wir in der Schulleitung der KUE neben Adrian Villiger (Adjunkt), der ein Ökonomiestudium absolviert hat, zusätzlich noch Karin Hunkeler, die ökonomisch, juristisch und politikwissenschaftlich ausgebildet ist. Um dieses Fachwissen sind wir sehr froh, aber noch wichtiger ist, dass wir eine gemeinsame Vorstellung von Schule haben. Wir möchten, dass unsere Schülerinnen und Schüler nicht nur die Aufgaben lösen können, welche in der Schullogik der einzelnen Fächer gestellt werden. Sie sollen nicht nur blind rechnen – wie ich vor 50 Jahren am erwähnten Postenlauf –, sondern nachdenken und praxistaugliche Antworten entwickeln.
Wir möchten unsere Schüler:innen ermutigen, flexibel und intelligent auf die komplexen Probleme zu reagieren, die sich heute stellen. In diesem Sinne werden wir zusammen mit Karin Hunkeler und dem ganzen Team weiter am Aufbau der Schulkultur der KUE arbeiten.
Martin Zimmermann
Wochenbrief_2302