Massnahmen gegen die Hilflosigkeit

Was tun gegen Cybermobbing? Auch an der KUE müssen wir uns leider diese Frage stellen. Gedanken dazu im aktuellen Wochenbrief.

Bild: Oliver Cole auf Unsplash

In der Premiere des Stückes «#Byebitch» am Schauspielhaus Zürich haben viele Zuschauer:innen geweint. Ich auch. Das Stück ist unglaublich traurig, denn es handelt von einem Mädchen, dem durch Cybermobbing der Lebensmut geraubt wird. Besonders beeindruckend war die Premiere auch deshalb, weil die Eltern der jungen Céline, deren Geschichte als Vorbild für die Inszenierung dient, anwesend waren. Sie kämpfen mit ihrem Verein «celinesvoice» seit vielen Jahren gegen Cybermobbing und haben das Regisseur:innen-Kollektiv Stick Around bei der Entwicklung des Stücks unterstützt, das nun als Klassenzimmerstück an vielen Schulen im Kanton Zürich aufgeführt wird.

Die Schüler:innen, die das Stück sehen, werden durch Célines Geschichte berührt und aufgerüttelt. Aber die Inszenierung lässt die Jugendlichen nicht entmutigt zurück. Sie richtet sich an diejenigen, die eingreifen und die Opfer unterstützen könnten. Die Regisseur:innen zeigen am Ende des Theaterstücks Videoaufnahmen von jungen Menschen, die eine Antwort auf die im Handlungsverlauf gezeigte Hilflosigkeit versuchen zu geben. Die Jugendlichen äussern ihre Überlegungen dazu, was gegen das Mobbing im digitalen Raum zu tun ist: Man kann die Gegenredner:innen unterstützen, Hasskommentare bei den jeweiligen Betreibern der Seite melden oder die bösen Kommentare in eigenen positiven Kommentaren und Komplimenten verschwinden lassen. An erster Stelle steht in vielen Aussagen aber der Hinweis, Hilfe bei erwachsenen Vertrauenspersonen zu holen.

Der im Theaterstück gezeigte Cybermobbing-Fall ist besonders schlimm und hatte die schlimmstmögliche Folge. Aber auch in weniger krassen Fällen finden Verletzungen statt. Die Gefahr von unfreundlichen Kommentaren und Beleidigungen im digitalen Raum, in dem sich Jugendliche laut der aktuellen James-Studie jeden Tag im Durchschnitt 3 Stunden aufhalten (am Wochenende liegt der Schnitt bei 4,5 Stunden), gehört zu ihrem Alltag. Auch innerhalb unserer Schulgemeinschaft gibt es diese Verletzungen, wenn in den Sozialen Medien Schüler:innen mit unfairen Kommentaren angegriffen werden oder Unwahrheiten über sie verbreitet werden. Wo Schreiber:innen von Kommentaren anonym bleiben können, sinkt die Hemmschwelle dafür, Gemeinheiten zu äussern. Dass es Schüler:innen gibt, die diese Kommentare liken (und deren Namen übrigens nicht anonym bleiben), zeigt, dass der oberste Grundsatz der «10 Tipps gegen Hass im Netz» (Love-Storm.de) noch zu wenig befolgt wird: Schau genau hin!

Als Schule können wir Aufklärungsarbeit leisten. Wir haben auf die Kampagne «Take it down» hingewiesen. Wir haben mit allen Klassen über den KUE-Kodex gesprochen und diesen von den Schüler:innen unterschreiben lassen. Wir können zwar das Klassenzimmerstück «#Byebitch» nicht für alle Klassen bestellen, zumal laut NZZ bereits 250 Klassen auf der Warteliste stehen. Aber wir können das Thema Cybermobbing in unterschiedlichen Zusammenhängen in unseren Unterricht aufnehmen.

Und das Wichtigste ist: Wir Lehrer:innen können reagieren, wenn wir als Vertrauensperson wahrgenommen und um Hilfe gebeten werden. Dafür müssen wir uns laut dem Rat von Expert:innen für die Welt der Jugendlichen interessieren und uns als Gesprächspartner:innen anbieten, dürfen uns aber nicht aufdrängen. Wir müssen klar Position beziehen, sollten aber keine Moralpredigten halten. Wir sollen reagieren, müssen aber darauf achten, diejenigen zu schützen, die den Mut haben, um Hilfe zu bitten. Die Schwierigkeiten, die diese Aufgabe stellt, können das Gefühl von Hilflosigkeit entstehen lassen. Dann hilft die Orientierung an Menschen wie Célines Eltern.

Jenny Bopp

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