Vor einiger Zeit traf ich vor der Universität Zürich einen ehemaligen Schüler. Ich hatte ihn zwar nie im Unterricht, aber wir kannten uns, weil sein Spind an der KZO Wetzikon gleich vor meinem Büro stand.
Wir kamen gelegentlich in Gespräche über Gott und die Welt (und über Fussball). Vor etwa 5 oder 6 Jahren machte er dann die Matura, und wir verloren uns aus den Augen.
Nun traf ich ihn also vor einem Vorlesungsgebäude wieder und wir sprachen über sein Studium. Bevor wir uns verabschiedeten, bedankte er sich noch bei mir. Ich hätte vor etwa zehn Jahren bei der Begrüssung für die neuen Schülerinnen und Schüler in der Aula gesagt, man müsse nicht nur an seinen Schwächen arbeiten, sondern vor allem auch die Stärken pflegen. Das habe ihn immer begleitet, und er sei mir dafür sehr dankbar.
Das berührte mich natürlich. Schliesslich ist es ein wichtiges Ziel von uns Lehrpersonen, Menschen zu stärken.
Hinter uns liegt das schwierige Corona-Semester. In der Öffentlichkeit wurde an verschiedenen Stellen die Frage gestellt, ob die Schülerinnen und Schüler nun nicht zu viele Lücken hätten. Man befürchtet, den Jugendlichen könnten gewisse Kenntnisse fehlen. Und man hat Angst, dass die Prüfungen im Herbstsemester zu vielen schlechten Noten führen könnten.
Ich möchte zwei Antworten auf diese Befürchtungen geben.
Erstens darf man den Lehrerinnen und Lehrern vertrauen. Sie werden nichts Unmögliches von den Klassen verlangen. Sie werden aber auch im Sinne einer Standortbestimmung denjenigen, welche im Corona-Semester etwas verpasst haben, aufzeigen, wo sie sich noch Lücken erschliessen müssen.
Zweitens vertraue ich den Schülerinnen und Schülern. Sie haben im Corona-Semester nicht nichts gemacht. Es mag sein, dass einige tendenziell nur ihre Stärken ausgebaut haben und die Schwächen etwas aus dem Blick verloren haben, aber alle haben sich im letzten halben Jahr weiterentwickelt. Das wird ihnen helfen bei der Fortsetzung ihrer Schulkarriere.
Wir dürfen zuversichtlich ins nächste Schuljahr gehen.
Aber jetzt brauchen wir alle zuerst mal Ferien. Ich wünsche allen gute Erholung, Gesundheit und Zuversicht.
Und ich freue mich schon auf den Schulstart im August und auf die Begrüssung der neuen Schülerinnen und Schüler– hoffentlich unter möglichst normalen Bedingungen.
Martin Zimmermann
Wochenbrief_2028