Kunst in der Sporthalle

Am letzten Mittwoch fand die Vernissage des Kunst-am-Bau-Projekts in der neuen Sporthalle statt. Ausschnitte aus den einleitenden Bemerkungen des Rektors finden Sie im aktuellen Wochenbrief.

Als uns das Projekt der beiden Künstler:innen Nusser/Glazova vorgestellt und übergeben wurde, schluckte ich zunächst leer und meldete mich zu Wort. Ja, natürlich ist das Thema der Bilder bei uns aktuell. Es geht um Körperidentitäten, um Selbstinszenierung und Fremdzuschreibungen. 

Diesen Fragenbereich in einer Sporthalle zu inszenieren, fand ich grudnsätzlich stimmig. Auch wenn sich der Sport-Unterricht in den letzten Jahren stark gewandelt hat, so steht doch auch heute noch das Körpergefühl im Vordergrund. Die Schülerinnen und Schüler sollen Freude an der physischen Bewegung erleben. In diesem Sinn passen die Bilder, welche Nusser/Glazova inszenieren. Sie reflektieren körperliche Schönheitsvorstellungen, setzen Fragezeichen und relativieren vermeintliche Sicherheiten.  

Die Bilder stechen aber auch in einen Bereich, der bei uns an den Schulen heikel ist, und zwar nicht politisch. Politisch ist die Frage meines Erachtens klar. Selbstverständlich unterstützen wir alle, die ihre Identität nicht mit der gleichen Leichtigkeit finden wie diejenigen, welche alte Muster übernehmen können. Im Deutschunterricht wird das grossartige «Blutbuch» von Kim de l’Horizon gelesen und diskutiert. Im Biologieunterricht wird gezeigt, dass die Sache mit den beiden Geschlechtern vielleicht differenzierter gesehen werden muss als bisher angenommen. 

Inhaltlich also ist das Thema längst an der KUE angekommen und politisch ist es für mich kein Problem, aber pädagogisch schon. Im Gegensatz zu unserem Bemühen, didaktisch behutsam mit schwierigen Fragen umzugehen, sind die Bilder der jungen Künstler:innen sehr direkt, provokativ. Die Bildsprache verwendet zwar Zitate aus der Bilderwelt der Jugendlichen, aber in einer ungewohnten Art. Die Werke sind deshalb für unsere Schülerinnen und Schüler nicht so einfach zu lesen, wenn sie so unvermittelt damit konfrontiert werden.  

In einer Schüler:innen-Umfrage zu den Duschen in den Sporthallen, die man im Neubau auf dem CU-Areal am See in ein paar Jahren realisieren wird, gab es entsprechende Rückmeldungen zu den Bildern, obwohl dies gar nicht gefragt war. Hier drei Beispiele: 

  • «Neu gestalten mit schöneren Bildern die weniger depri machen» 

  • «Die hässlichen Bilder von den komischen Koboldmenschen müssen weg!!!!!!» 

  • «Meiner Meinung nach sollen Schüler eine Mitsprache haben, was die Kunst anbelangt, die aufgehängt wird, da sie ja dann die Leute sind, die Zeit dort verbringen müssen.» 

Positive Rückmeldungen gab es keine, aber das heisst nicht, dass niemand Freude an den Bildern hat. Die Werke lösten zweifellos vielfältige Reaktionen aus, und das ist gut so. 

Wir sind froh, wenn die Bespielung der Sporthalle als Galerie oder Art Space die Jugendlichen bestärkt, ihre eigenen Identitäten wahrzunehmen und zu bejahen. Als Schule wollen wir unsere Verantwortung übernehmen und die Jugendlichen in diesen Prozessen nicht allein lassen. Das tun wir in der Regel in der Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern. 

Wir sind auch froh, wenn Kunst als eigene Sprache verstanden wird, die andere Perspektiven auf die Welt eröffnet. Diese Lesefähigkeit (visual literacy) von Bildern müssen wir immer wieder schärfen. 

In diesem Sinn haben wir die Aufgabe angenommen, die uns Nusser/Glazova für die nächsten Jahre aufgetragen und auferlegt haben.  

Martin Zimmermann 

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