Die Wandlungsfähigkeit verfestigen
Die Aufgabe ist paradox: Die Kultur und die Strukturen der KUE sollen sich festigen, aber im Wesen wollen wir unsere Wandlungsfähigkeit beibehalten. «Die KUE ist eine Schule des Wandels» heisst der erste Satz unseres Leitbildes. Wandel war in den letzten Jahren des Aufbaus offensichtlich: Von gut 100 Schüler:innen, die im Sommer 2018 begonnen haben, sind wir auf aktuell 733 gewachsen. Im ganzen Kanton ist das demografisch bedingte Wachstum der Schülerzahlen enorm. Sehr hoch ist der Druck auf den Schulraum. An allen Schulen muss man enger zusammenrücken. Die Klassen sind grösser, als wir uns das wünschen, nicht nur an der KUE. Statt wie vorgesehen 20 Klassen haben wir jetzt 31. Dass die KUE vor einem Jahr um das Gebäude C erweitert wurde, ist Ausdruck dieser Situation.
Ein Wachstum dieser Art ist aber auch qualitativer Art. Was im Kleinen vor fünf Jahren funktionierte, geht im Grossen nicht mehr. Umgekehrt eröffnen sich zunehmend neue Möglichkeiten und Angebote, etwa im Bereich der Freifächer. Wir mussten Abläufe festlegen, um zu mehr Routine zu kommen, und Rollen neu definieren, um stabiler zu werden. Damit wird das Gesamtsystem träger, und es wird schwieriger, flink zu bleiben.
Der Satz des Leitbildes impliziert aber weit mehr. Es wandelt sich nicht nur die wachsende KUE, sondern auch das schulische Umfeld und die Welt, auf die wir die Jugendlichen vorbereiten sollen. Um nur drei Beispiele zu nennen: Die rasanten Entwicklungen im Bereich KI fordern die Bildungsinstitutionen viel stärker heraus, als das in der Gesellschaft wahrgenommen wird, so meine persönliche Einschätzung. Der Unterricht muss sich ändern. – Die psychische Situation vieler Jugendlicher gibt Anlass zu grosser Sorge. Die Schule trägt daran leider eine Mitschuld. Gleichzeitig haben wir die Aufgabe, ein Ort zu sein, wo sie im etwas geschützten Rahmen erwachsen werden können. – Was unser Bildungsauftrag der «vertieften Gesellschaftsreife» bedeutet in einer Welt, die vor globalen Problem steht, ist umstrittener denn je. Nicht umsonst ist der Auftrag zur Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE), wie sie das neuen Maturitätsanerkennungsregelement fordert, Gegenstand politischer Debatten. Eine Schule des Wandels zu sein bedeutet, solche Veränderungen ernst zu nehmen und auf sie zu reagieren.
Diese Woche nimmt sich die KUE zwei Tage Zeit, um mit dem ganzen Team Aspekte dieses Wandels zu reflektieren. Der Titel der Retraite lautet: «vertiefen, verfestigen, verstetigen». Dabei geht es auch um eine Konsolidierung dessen, was da ist. Am provisorischen Standort im Dorf haben wir jetzt die definitive Grösse erreicht. Zur Verfestigung gehört im Kern aber, dass wir unsere Wandlungsfähigkeit beibehalten. Nicht nur, weil wir nach dem Umzug auf das ehemalige Fabrikgelände am See auf rund 1500 Schüler:innen anwachsen, uns also noch einmal verdoppeln werden. Sondern vor allem, weil eine Schule, die sich an der Gegenwart und Zukunft der Schüler:innen orientiert, sich permanent wandeln muss. Nur so können wir unsere Aufgaben angemessen erfüllen. Wie wir als Schule eine solche paradox anmutende Kultur etablieren und agil bleiben können, versuchen wir uns gemeinsam zu erarbeiten.
Jürg Berthold
WB_38_2024
PS Während der Retraite werden die 1. bis 4. Klassen von den 5. Klassen unterrichtet; das Projekt «Schüler:innen machen Schule» (SmS) findet jetzt zum vierten Mal statt. Die 6. Klassen haben Zeit für die Maturarbeiten. Und die Mitarbeiter:innen von Verwaltung und Betrieb treffen sich auf einen Austausch mit ihren Kolleg:innen an der eben eröffneten Kantonsschule an der Hohlstrasse in Zürich.