Die Schule ist auch ein Schulhaus. Sie ist ein Ort, wo sich Überzeugungen zum Lehren und Lernen materialisieren und eine konkrete Gestalt angenommen haben. Vielleicht hat man das während der letzten Monate etwas vergessen. Jetzt, da wir uns wieder in den Räumlichkeiten der KUE bewegen dürfen, wird uns der Raum als Raum noch bewusster. Die Grundfrage lautet: Was ermöglichen Räume und was nicht?
Was heisst es etwa, dass die KUE aus zwei separaten Gebäuden besteht? Es findet eine Trennung statt, gleichzeitig entsteht aber auf der grosszügigen Verbindungspassarelle ein wunderbarer Begegnungs- und Aufenthaltsraum im Freien. Welche Effekte hat die Tatsache, dass die Fächer auf zwei Gebäude verteilt sind, also zum Beispiel Bildnerisches Gestalten in einem anderen Gebäude ist als die Naturwissenschaften? Oder was heisst es für eine Schulleitung, wenn sich die Büroräumlichkeiten etwas abseits der Schülerströme befinden? Wo muss ein Pausentreffpunkt im Schulhaus angesiedelt sein, damit sich die Lehrpersonen und alle anderen, die in einem Schulhaus arbeiten, möglichst oft begegnen und sich intensiv austauschen können? Und wie sind die Arbeitsplätze für die Lehrer*innen aufzuteilen? Nach den unterrichteten Fächern, so dass möglichst viele Gelegenheiten für fachliche Anregungen entstehen? Oder so, dass sich die Fächer möglichst mischen? Auch die Möblierung eines Schulzimmers ist eigentlich alles andere als selbstverständlich – und selbst das Normmobiliar des Kantons, zu dem wir verpflichtet sind, lässt einen grossen Spielraum. Ob und in welcher Form es noch Schulzimmer im traditionellen Sinne braucht, ist eine offene Frage: nicht weil man wegen der Corona-Epidemie auf Schulraum verzichten könnte – gerade das Gegenteil hat sich gezeigt –, sondern weil man die gemeinsame Präsenz im Schulhaus, die so wertvoll ist, im Zusammenhang mit der Digitalisierung neu denken muss.
Schulräume sind Raum gewordene Überzeugungen, wie Lernen funktioniert. Wo eine Lehrperson vorne stehen muss, weil sich in ihr alles Wissen zentriert, wird sich der Raum auf eine Seite hin ausrichten – bis hin zu einer Vorlesungsbestuhlung. Wo es auf Kommunikation und den Austausch von Sichtweisen und Argumenten geht, ist der Kreis eine idealtypische Form. Wenn es um Formen der Kooperation geht, braucht es Breakout-Rooms, wie sie bei Zoom heissen. Und wer will, dass sich Schüler*innen konzentriert auf eine Sache einlassen können, muss ihnen ruhige Arbeitsplätze zur Verfügung stellen.
Wir haben in diesem Schuljahr etwas experimentiert und konnten einige Erfahrungen mit der Wirkweise von Räumen und unterschiedlich gestalteten Schulzimmern sammeln. Im obersten Stockwerk des Hauses B, das wegen des Aufbaus noch leer stand, haben wir einzelne Zimmer unterschiedlich möbliert: etwa als Lounge für Klassengespräche, als Büro mit Arbeitsplätzen oder als leeren Raum mit Hockern für schnell wechselnde Interaktionsformen – etwa im Sprachunterricht. Wir werden nun auch die Arbeitsräume der Lehrerinnen und Lehrer neu organisieren: Alle sollen zwar einen Arbeitsplatz haben, die Fachschaften sollen sich aber möglichst durchmischen, so dass das gegenseitige Verständnis für einander gefördert und die interdisziplinäre Zusammenarbeit möglichst niederschwellig angeregt wird.
Wir werden im nächsten halben Jahr als KUE-Team in die pädagogischen Überlegungen hinter der Ausschreibung für den Architekturwettbewerb unten auf dem Chemie-Areal involviert sein. Da wollen wir uns mit unseren Erfahrungen in diesen Fragen einbringen: Es gilt Antworten so zu formulieren, dass die Architekten auf spannende und wegweisende Lösungen kommen, die den zukünftigen Schülerinnen und Schülern zugute kommen.
Jürg Berthold
Wochenbrief 20_27