Darf man Mücken töten?

Im aktuellen Wochenbrief schreibt Hannah Adams über die Frage, ob man Mücken töten darf oder nicht.

Die warmen Temperaturen sind zurückgekehrt und damit auch die Familie der Culicidae. Besser bekannt als blutschmarotzende Plagegeister oder einfach Stechmücken.   

Die Stechmücken gehören zu den Insekten und sind der Ordnung der Zweiflügler zuzuordnen. Andere berühmte Vertreter dieser Ordnung sind z.B. die Bremsen (auch nicht sehr sympathisch) oder die Fruchtfliegen (in der Küche eher unsympathisch, aber im Forschungslabor durchaus beliebt). Die Fruchtfliegen hatten an der KUE auch schon ihren grossen Auftritt in Kreuzungsversuchen und brachten die Genetik lebensnah an die Schülerinnen und Schüler heran. Der Auftritt der Stechmücken an der KUE dagegen verbleibt bei roten, beissenden Flecken. Nicht nur diese nerven, sondern auch das nächtliche Gesumme. Ich lege mich also jede Nacht mit einer gerollten Zeitung auf die Pirsch und erschlage jede Mücke, die ich sehe. Doch ist das eigentlich okay?  

Aus medizinischer Sicht würde Dr. Schmiedel, Tropenmediziner aus Deutschland, behaupten: «Ja, manchmal muss man sogar!» [1]. Stechmücken werden als die für den Menschen gefährlichsten Tiere der Welt bezeichnet und sind verantwortlich für über eine Million Todesfälle jedes Jahr [2]!  

Damit ist aber nicht jeder Plagegeist in deinem Zimmer gemeint. Sondern die tropischen Stechmücken, die von Parasiten befallen sind und dabei Infektionskrankheiten wie Malaria, Denguefieber oder Gelbfieber übertragen können [2].  

Durch die Globalisierung und den Klimawandel breiten sich diese tropischen Stechmücken nun auch bei uns aus. Momentan kommen in der Schweiz drei tropische Stechmücken vor, dazu gehört auch die Asiatische Tigermücke Aedes albopictus, welche diese krankheitserregenden Parasiten übertragen kann. Sie ist schwarz-weiss gestreift und sollte bei einem Fund an eine Meldestelle für «gebietsfremde Mückenarten» geschickt werden [4].  

Also spricht eigentlich alles dafür, dass ich nachts die Mücken systematisch mit meiner Zeitung zerklatsche und im Falle einer tropischen Mücke der zuständigen Meldestelle schicke. Oder spricht was dagegen? 

Aus ökologischer Sicht sollte man eine Art nicht töten, auch keine Stechmücken. Die Stechmücken stellen als Adulte und Larven eine wichtige Nahrungsquelle dar: für Vögel, Fische und Amphibien. Auch ernähren sich die Stechmücken normalerweise von Nektar und übernehmen so wichtige Bestäubungsfunktionen (nur weibliche Stechmücken benötigen Blut für ihre Eierproduktion) [4]. Somit könnte das Ausrotten der Stechmücken einen negativen Effekt in der Nahrungskette auslösen, dessen Auswirkungen schliesslich auch uns Menschen betreffen.  

Aber nun befinden wir uns in einem klassischen Dilemma, wo wir einerseits Stechmücken brauchen (ökologische Gründe), sie aber anderseits gefährlich sein können für uns Menschen (medizinische Gründe) [1].  

Was nun?  

Eigentlich sind ja nicht die Mücken das Problem, sondern die Parasiten, die sie übertragen. Das World Mosquito Program (WMP) forscht an einer bahnbrechenden, aber simplen Methode: Die Mücken werden mit dem Wolbachia-Bakterium infiziert. Mücken, welche dieses natürlich vorkommende Bakterium tragen, haben eine reduzierte Transmission des Parasiten [5]. Die Ergebnisse des WMP zeigen die Effektivität dieser Methode. In Gebieten, wo Mücken mit dem Wolbachia in grossen Zahlen vorkommen und selbsterhaltend sind, gab es keine neuen Denguefieber-Ausbrüche [5]. 

Ein anderer vielversprechender Ansatz ist die Entwicklung von effektiven Insektensprays. Wissenschaftler*innen aus England zeigten, dass weibliche Stechmücken Präferenzen für gewisse Körpergerüche haben [6], was auch erklärt, wieso mein Bruder jeweils zerstochen wurde und ich nicht. Diese Erkenntnis könnte bei der Zusammensetzung für einen Super-Anti-Mückenspray helfen. Aber auch bevor dieser auf dem Markt ist, haben wir die Möglichkeit, uns vor Infektionen zu schützen. Lange und helle Kleidung hilft, ebenso eine kalte Dusche oder der Verzicht auf stark riechende Duschgels und Parfüms. Denn Stechmücken werden durch bestimmte Körpergerüche, Schweiss, aber auch Parfüm angelockt [7]. 

Nach diesem kleinen Gedankenspaziergang über die Frage, ob man Mücken töten darf oder nicht, werde ich wohl nicht mehr auf die nächtliche Pirsch gehen. Oder halt mit einem schlechten ökologischen Gewissen.  

Hannah Adams

WB_22_26

Quellen:  

[1] Auszug aus dem Interview von Lars Haider (Hamburger Abendblatt, 12. Juni 2018), https://www.jubilaeum.uni-hamburg.de/programm/100fragen/2018-06-12-frage15-muecken-toeten.html - abgerufen am 30.05.2022 

[2] “Would it be wrong to eradicate mosquitoes? “ (BBC News Magazine, 28. Januar 2016), https://www.bbc.com/news/magazine-35408835 - abgerufen am 30.05.2022 

[3] BR-Wissen: Zika-Virus -  https://www.br.de/wissen/zika-virus-aegyptische-tigermuecke-brasilien-mikrozephalie-100.html - gelesen am 30.5.2022 

[4] bafu-admin.ch – Stechmücken   

https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/chemikalien/fachinformationen/sorgfaeltiger-umgang-mit-biozidprodukten/schaedlingsbekaempfung-v2/stechmuecken.html#:~:text=In%20der%20Schweiz%20kommen%20momentan,und%20saugen%20auch%20tags%C3%BCber%20Blut – abgerufen am 30.05.2022 

[5] World Mosquito Program (WMP) -  https://www.worldmosquitoprogram.org/ – abgerufen am 30.05.2022 

[6] «Heritability of Attractiveness to Mosquitoes» https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0122716 – abgerufen am 30.05.2022 

[7] «Wie schütz man sich vor asiatischen Tiger- und Buschmücken?» - https://www.dw.com/de/so-sch%C3%BCtzen-sie-sich-vor-asiatischen-tiger-und-buschm%C3%BCcken/a-54552905 – abgerufen am 30.05.2022