Cohn-Bendit, Sócrates und der Konvent der KUE.

«Nur über einen Punkt wird nicht diskutiert»

Daniel Cohn-Bendit war in meiner Jugend eine bekannte und schillernde Figur. Den einen erschien er als gefährlicher Revolutionär, andere beeindruckte er durch seine Redegewandtheit und seine jugendliche Frechheit.

Ich gehörte zur zweiten Gruppe. Dieser rothaarige Krauskopf faszinierte mich. Er brachte sich selbstbewusst ein, scheute sich nicht, über alles zu reden – und aus heutiger Sicht weiss man, dass er sich dabei auch verrennen konnte.

Als ich kürzlich in einer Buchhandlung Daniel Cohn-Bendits neustes Buch sah, konnte ich nicht widerstehen. Ich kaufte sogleich «Unter den Stollen der Strand. Fussball und Politik – mein Leben» (Kiepenheuer & Witsch, 2020).

Und ich las mit Vergnügen, wie Daniel Cohn-Bendit – Jahrgang 1945 – in seinem lockeren Parlando-Stil die grossen Fussballgeschichten mit seinem Leben und der Weltgeschichte verbindet.

Dem brasilianischen Fussballer Sócrates (1954 – 2011) sind mehrere Seiten gewidmet. Dieser aussergewöhnliche Sportler, der auch promovierter Mediziner war, führte ein ebenso aussergewöhnliches Leben, wie Cohn-Bendit mit einigen Anekdoten belegt.

Für mich spannender waren aber die Ausführungen zum politischen Engagement von Sócrates. Sein Klub, die Corinthians São Paulo, wurden offenbar dank seines Einflusses eine gewisse Zeit lang basisdemokratisch geführt. Alles wurde gemeinsam entschieden. «Nur über einen Punkt wird nicht diskutiert: die Mannschaftsaufstellung», schreibt Cohn-Bendit.

An der KUE führten wir letzte Woche wieder einen Konvent durch. Alle Lehrerinnen und Lehrer, die Crew aus der Administration und dem Hausdienst sowie eine fünfköpfige Vertretung der Schülerschaft sassen zusammen, um weitere Akzente in der Entwicklung der KUE zu setzen.

Dabei stellt sich auch die Frage, welche Rolle die Schulleitung hat. Schulen sind Expertenorganisationen, die davon leben, dass die wichtigste Arbeit ganz individuell geleistet und verantwortet wird. Jeder Lehrer, jede Lehrerin unterrichtet seine Klassen einzeln, und zwar nach Massgabe der eigenen Fachexpertise. Im Bild des Fussballs: Nicht die Trainer schiessen die Tore, sondern die Spieler.

Um eine gemeinsame Schulkultur – ein erfolgreiches Spielsystem – zu bilden, sind wir aber auf sorgfältige Diskussionen angewiesen, in der wir uns als Schulleiter selbstverständlich einbringen.

Der Schulleitung und der Schulkommission kommt aber noch eine weitere wesentliche Aufgabe zu: die Mannschaftsaufstellung. Die Anstellungen, die auch im nächsten Schuljahr wieder anstehen, werden die Schule über Jahre hinweg prägen.

Martin Zimmermann

Wochenbrief_2026