Die Erinnerung an meine erste Aufnahmeprüfung ist vage. Ich sass in einem dunklen hohen Raum mit vielen fremden Kindern und einem unbekannten Lehrer. Ich fühlte mich auf mich allein gestellt, einsam.
Ähnliche Gefühle werden vermutlich auch einige der Schülerinnen und Schüler empfinden, die diese Woche an der KUE und an anderen Kantonsschulen die Prüfung ablegen.
Die Zentrale Aufnahmeprüfung (ZAP), die im Kanton über die Aufnahme ins Gymnasium entscheidet, steht immer wieder in der Kritik. Sie sei ungerecht, weil es eine Vorbereitungsindustrie gebe, die vor allem Wohlhabenden zugänglich sei. Kinder aus bildungsfernen Schichten würden gar nicht von diesen Angeboten ausserhalb der obligatorischen Schule profitieren können. Man verliere auf diese Weise sehr viele intelligente Jugendliche für einen akademischen Weg.
Seit vielen Jahren bin ich in die Erstellung und Durchführung der ZAP involviert und kenne deren Schwächen. Kritik kann ich also nachvollziehen, aber noch nie hat mir jemand eine Alternative aufgezeigt, die besser wäre.
Im Kanton Zürich gibt es einen politischen Willen, nach dem etwa 20 Prozent eines Jahrgangs eine gymnasiale Maturität ablegen sollen. Dies wird nicht nur so explizit formuliert, sondern ist auch sichtbar am Schulraum, der den Gymnasien zur Verfügung steht. Da die Nachfrage nach der Matur grösser ist als das Angebot an Plätzen an den Kantonsschulen, braucht es ein Auswahlverfahren. Wie dieses auch immer geartet sein wird, die sogenannten bildungsaffinen Eltern werden dafür sorgen, dass ihre Kinder den Bildungsweg gehen, den sie selber gegangen sind. Wenn auch andere Kinder gefördert werden sollen, müsste dies im Kindergarten und der Primarschule passieren.
Für die ZAP des Jahres 2023 gelten einige neue Regelungen. Die wichtigste Änderung: Im Kurzgymnasium werden wieder die Noten aus der Sekundarschule berücksichtigt. Die «Vorleistungsnoten», die auf den Leistungen eines halben Jahres in fünf Fächern basieren, zählen gleich viel wie die an der Prüfung erzielten Noten. Damit wird der Aufnahmeentscheid breiter abgestützt.
Zu reden gab auch die Erhöhung der Bestehensnorm. In den Vorjahren galt es, die Noten 4.5 (Langgymnasium) und 4 (Kurzgymnasium) zu erreichen. Neu muss das Mittel aus Vorleistungs- und Prüfungsnote in beiden Fällen mindestens 4.75 betragen. Heisst dies nun, dass die Prüfung schwieriger wird? Nein. Wie oben ausgeführt, stellt der Kanton Zürich eine bestimmte Anzahl von Plätzen zur Verfügung. Diese werden auch 2023 an die Schülerinnen und Schüler mit den besten Leistungen (Vornote und Prüfungsnote) vergeben.
Ich kann Ihnen versichern, dass wir an der KUE die Prüfungen mit grosser Sorgfalt korrigieren werden. Um dies zu erreichen, wird das ganze Wochenprogramm umgestellt. Die korrigierenden Lehrerinnen und Lehrer widmen sich ganz der Aufgabe, während die KUE-Klassen ein Spezialprogramm absolvieren, das vom Rest des Kollegiums und zum Teil auch von externen Personen bestritten wird.
Ich wünsche allen, die am Montag die Prüfung ablegen, alles Gute.
Martin Zimmermann
Wochenbrief_2310