Alle Macht den Schüler:innen

Seit mehr als einem Jahr haben wir an der KUE Zivildienstleistende. Jonas Kampus war einer davon. Mit diesem Wochenbrief verabschiedet er sich von der KUE.

Wie wäre es, wenn Schüler:innen die Schule verwalten würden? Wenn sie über den Lehrplan entscheiden könnten? Wenn sie die Unterrichtsgefässe und den Stundenplan vorgeben könnten? 

Paradoxerweise sind Schüler:innen bei den meisten Entscheidungen im Bildungsbereich nicht anwesend. Die kantonalen und nationalen Verbände der Schüler:innenorganisationen sind aktuell in der Schweiz schlecht organisiert und falls doch Schüler:innen etwa bei der Überarbeitung der Lehrpläne einbezogen werden, haben sie schlussendlich keine politische Entscheidungsmacht darüber. Auch an den Schulen selbst sind Schüler:innen höchstens mit ein paar Vertreter:innen im Konvent und in Kommissionen präsent. 

Schüler:innen müssen fünf Tage die Woche, 39 Wochen pro Jahr, mindestens vier Jahre lang die Kantonsschule besuchen, wollen sie die gymnasiale Matur erlangen. Obwohl sich die Schweiz als Demokratie versteht, ist der Rahmen der Mitsprache für Schüler:innen in einem ihrer grössten Lebensbereiche äusserst klein. Klar, viele Lehrpersonen erkundigen sich nach den Bedürfnissen der Schüler:innen, Lehrpersonen und Schulleitung an der KUE sind auch offen für eigenständige Ideen und Projekte der Schüler:innen. Im Leitbild ist festgehalten, dass die Jugendlichen im Zentrum stehen. Doch eine Verwaltung der Schule durch Schüler:innen ist dies nicht. 

Es gibt genügend Gründe dagegen: Mathematik und Französisch würden wohl gestrichen werden – oder gleich alle Fächer. Schüler:innen fehlt die fachliche Kompetenz, um die Gewichtung von Lerninhalten vorzunehmen. Noten würden sowieso abgeschafft werden. 

Vielleicht würde aber alles anders kommen, Schüler:innen müssten auch mehr Verantwortung für ihre Bildung übernehmen. Vielleicht würden neue Unterrichtsformen entstehen, vielleicht neue Fächer. Lehrpersonen würden stärker als ebenbürtige Mentor:innen verstanden werden, deren Autorität weniger institutionell garantiert ist (siehe Wochenbrief vom 02. März 2024). 

Als Zivildienstleistende hatten wir die Möglichkeit, unsere Rolle anders zu definieren als jene der Lehrperson. Von Gesetzes wegen dürfen wir keine Veranwortung für andere Personen übernehmen, also dürfen wir nur unterstützen. Andererseits müssen wir auch nicht sanktionieren. Die Schüler:innen können viel freier entscheiden, wann sie unsere Unterstützung in Anspruch nehmen möchten und wann auch nicht. Die Schüler:innen können so eine andere Beziehung zu uns aufbauen, auch weil sie uns duzen dürfen. 

Eine basisdemokratische Verwaltung der Schule durch Schüler:innen und das Schulpersonal würde also die Beziehung von Schüler:innen zu den Lehrpersonen, aber auch zur ganzen Institutionen Schule grundlegend verändern. Sie würden nicht einfach die Schule oder den Unterricht besuchen, denn ihnen würden diese Räume gehören. Gleichzeitig würden sie auch die Verantwortung dafür tragen. 

Aber vielleicht würde sich auch gar nicht so viel verändern, denn eine Ausweitung der demokratischen Sphäre sollte nicht nur geschehen, wenn daraus eine Optimierung des schulischen Ablaufs oder der Leistungen resultieren könnte. Gerade in Zeiten, wo sich viele junge Menschen oftmals machtlos angesichts der grossen globalen Krisen fühlen, würde die Demokratisierung der Schule ihnen wieder mehr Gestaltungsraum in unserer Gesellschaft zugestehen. 

Jonas Kampus
Zivildienstleistender an der KUE

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