Verwahrung: zwischen Sicherheit und Freiheit

Am Donnerstag war die Journalistin und Autorin Susan Boos an der KUE und gab Einblicke in das kontrovers diskutierte Thema «Verwahrung».

Bild von Džoko Stach auf Pixabay.

Von Lara Oberholzer, 6e

Die Klasse 5a hatte zuvor ihr Buch «Auge um Auge» im Unterricht gelesen (bei Deutschlehrer Joel Strassberg) und konnte die Autorin nun mit ihren eigenen Augen sehen. Die Veranstaltung stand allen Interessierten offen, und rund 50 Personen nutzten die Chance, an der spannenden Diskussion teilzunehmen.

Boos, ehemalige Chefredakteurin der WOZ und seit 2021 Präsidentin des Schweizer Presserats, sprach über ihr Buch und das kontroverse Thema der Verwahrung. Verwahrung bezeichnet eine Form der Haft, die über die eigentliche Strafzeit hinausgeht, weil Straftäter:innen von Gutachter:innen als gefährlich für die Gesellschaft eingestuft werden. Sie dürfen daher nicht entlassen werden, auch wenn sie ihre reguläre Strafe bereits verbüsst haben. Boos beleuchtete in der Diskussion zentrale Fragen: Wie misst man das Gefahrenpotential einer Person? Ist es gerecht, Menschen auf unbestimmte Zeit in Haft zu halten? Gibt es Alternativen zur Verwahrung?

Offene Diskussion mit dem Publikum

Die Veranstaltung begann mit einem Interview, das Priscilla Garavaldi und Naomi Glur aus der Klasse 5a führten. Sie fragten Susan Boos nach ihren Erfahrungen mit Straftätern, die sie im Rahmen ihrer Recherchen getroffen hatte. Boos schilderte eindrucksvoll: „Zu Beginn ist es ein seltsames Gefühl, besonders bei Menschen mit sadistischen Neigungen. Aber am Ende sind es auch nur Menschen, und man fragt sich, wie es zu solchen Taten kommen konnte.“

Nach dem Interview schloss sich eine rege Diskussion mit dem Publikum an. Ein spannendes Nebenthema war die mögliche Abschaffung von Gefängnissen. Boos berichtete: „Einige sagen, Gefängnisse machen Menschen nicht besser. Es gibt tatsächlich gute Gründe dafür, sie abzuschaffen.“ Sie betonte jedoch, dass es keine einfachen Lösungen gebe.

Verwahrung in der Schweiz und anderswo

Sie erklärte weiter, dass in Deutschland durch alle Instanzen geklagt wurde, weil Verwahrte, die ihre Strafe verbüsst haben, das Recht haben sollten, nicht unter den gleichen Bedingungen wie andere Insassen zu leben. Es gibt neuerdings sogenannte Sondergefängnisse, in denen Verwahrte so leben können, wie sie es draussen tun würden. „In der Schweiz haben wir das noch nicht", fügte sie hinzu.

Als positives Beispiel hob Boos die Niederlande hervor, wo Verwahrte in dorfähnlichen Strukturen leben. „Das verändert die Menschen, und etwa die Hälfte der Verwahrten wird wieder freigelassen“, erklärte sie. In diesen Strukturen seien die Rückfallquoten viel niedriger, da die Verwahrten nicht wie in einem klassischen Gefängnis leben.

Boos erklärte die zwei Formen der Verwahrung in der Schweiz: die kleine Verwahrung, bei der eine Entlassung nach Therapie möglich ist, und die grosse Verwahrung, bei der eine Entlassung nahezu unmöglich ist. Sie stellte infrage, wie fair dieses System sei: „Menschen bleiben in Haft, nur weil ein Gutachten sie als gefährlich einstuft. Ist das gerecht?“

Dies ist ein weiteres kontroverses Thema: die Rolle der Gutachter, die oft entscheiden, ob jemand freigelassen wird. „Gutachten basieren häufig auf standardisierten Tests, die nicht immer die individuelle Gefährlichkeit einer Person widerspiegeln“, kritisierte Boos. Dies führe zu Unsicherheiten im Justizsystem.

Erkenntnisse aus der Forschung

Boos erläuterte, dass wissenschaftliche Studien belegen, dass das Deliktverhalten von Männern seinen Höhepunkt mit etwa 27 Jahren erreicht und ab 50 Jahren stark abnimmt. „Das Risiko, dass jemand ab 50 noch ein Delikt begeht, ist sehr gering“, sagte sie und stellte die Frage, ob lange Haftstrafen für ältere Menschen noch gerechtfertigt seien.

Ein alternatives Denkmodell

Eine weitere wichtige Frage war, ob die Verlängerung von Haftstrafen die Verwahrung ersetzen könnte. „Es gibt eine interessante Diskussion: Wenn wir Verwahrung kritisch sehen – was ich persönlich tue –, dann müssen wir vielleicht über längere Strafen nachdenken, etwa 30 oder 40 Jahre bei lebenslänglich. Auch wenn ich nicht sagen würde, dass ich per se für längere Gefängniszeit bin. Eine solche Diskussion sollten wir führen. Es gehe darum, ein alternatives Denkmodell zu entwickeln, das Sicherheit bietet, ohne präventiv zu bestrafen.“