Interessante Menschen

Gewisse Lehrerinnen und Lehrer vergisst man nie. Warum eigentlich?

Lehrerinnen und Lehrer sind ein ergiebiges Gesprächsthema. Das zeigten einmal mehr die Erinnerungstexte im «Magazin» vom letzten Wochenende. Gerade die schwierigen, skurrilen und schrägen Lehrer-Figuren haben offensichtlich in der Rückschau eine besondere Bedeutung. Sie sind es, die entscheidende Anregungen geben, manchmal auch weil man sich als Jugendlicher gegen sie stellt.

Mich erinnerten die schönen Porträts aus dem «Magazin» an den Film von Alexander Seiler aus dem Jahr 1971: „Unser Lehrer“. Der Film zeigt eine Pädagogenpersönlichkeit, wie ich sie aus meiner Jugend auch noch kenne. Herr Schmid, der Zürcher Primarlehrer aus dem Film, führt die Klasse mit einer gewissen Strenge, aber auch mit Humor. Sein blauer Arbeitskittel lässt an eine Werkstatt denken, in der geordnet und zielstrebig an einer Sache gearbeitet wird. Wer mitmacht, lernt zweifellos, was man „fürs Leben“ brauchen kann.

Die Szenen, in denen Herr Schmid mit den 32 Schülerinnen und Schülern seiner Klasse Kopfrechnen übt – wobei die Schnellsten jeweils einen Schritt nach vorne machen dürfen, bis sie bei der Wandtafel sind und damit ihr Pensum absolviert haben –, kenne ich auch aus eigener Erfahrung. Man ist stolz, wenn es klappt, man spürt anderseits den Druck, wenn plötzlich die Zahlen im Kopf nicht mehr geordnet werden können. Nicht vorwärts kommen wird dann zur grossen Last. Die Schule zeigt den Schülerinnen und Schülern gnadenlos ihre Grenzen auf.

Wenn der eindrückliche Herr Schmid über seinen eigenen Unterricht spricht, hört man allerdings andere Töne. Er will eigentlich das Kompetitive in seinem Unterricht gar nicht so betonen. Man könnte gar meinen, er habe die Kennzahlen-Kultur unserer PISA-Zeit vorweggenommen, wenn er kritisiert, dass «heutzutage» nur noch messbare Leistungen zählen.

Diese Aussage ist fast 50 Jahre alt, und dennoch wirkt sie aktuell. In schulpolitischen Diskussionen ist viel die Rede vom «outcome» oder von «Bildungserträgen» (sic!). Der Ruf nach gemeinsamen Tests ertönt, man will Vergleichszahlen, und die Medien freuen sich, wenn sie Rankings der Bildungsinstitutionen veröffentlichen können.

Selbstverständlich haben auch wir Ziele. Wir wollen, dass unsere Schülerinnen und Schüler an der Matura viel können und fachlich gut vorbereitet sind auf die Hochschulen, aber wir wollen nicht, dass sie auf Ranglisten schielen. Wir wollen vielmehr, dass unser Unterricht ihre Neugier geweckt und nachhaltig verankert hat.

In diesem Prozess spielen die Lehrerinnen und Lehrer eine wichtige Rolle. Es geht nicht nur darum, dass sie sehr gut qualifizierte Fachleute sein sollten, sie müssen auch interessante Persönlichkeiten sein. Dieses Kriterium lässt sich allerdings nicht so einfach messen. Jeder Schüler, jede Schülerin wird die eigenen Massstäbe anlegen. In 30 Jahren erfahren wir dann möglicherweise, welche Lehrerpersönlichkeiten wesentliche Impulse vermittelt haben, wenn wir nämlich im «Magazin» Erinnerungen von Uetikern über ihre Schulzeit lesen.

Martin Zimmermann

Wochenbrief_2045